Wir leben in einer Zeit tiefgreifender Krisen. Doch wo die Not liegt, dort liegt auch die Kraft einer Heilung. 

Jede Krise ist ein zweischneidiges Schwert. Sie verführt uns, an ihr zu verzweifeln und vor ihr in die Knie zu gehen, mit dem Ergebnis, uns noch tiefer in die Irrtümer zu verstricken, die uns in diese Krise geführt haben. Das gilt für das Individuum wie für eine ganze Gesellschaft. 

Doch das ist nur eine Seite des Schwertes. 

Aber die andere Seite, nicht minder scharf, nicht minder wirksam – sie bringt die Heilung. 

Ein Schnitt? Ein tiefgreifender, denn jede Heilung bedarf eines Opfers. Es ist das Opfer, das wir darbringen auf dem Altar der Verwandlung. Verwandlung geschieht nicht auf dem Sofa mit überfülltem Magen. Sie geschieht nicht mit einer Seele, die an sich selber satt geworden ist, die weder Sehnsucht noch Hoffnung kennt. 

Wir verwandeln uns nicht in bequemen Zuständen. Wir verwandeln uns nicht, wenn wir rundum versorgt schwelgen im Selbstgenuß. Wir verwandeln uns nicht, wenn wir uns eine Verwandlung vornehmen, als wäre sie ein Plan, ein Vorhaben, eine Strategie der Selbstoptimierung. 

Wir verwandeln uns, wenn wir durch eine Krise gehen. Und sie kommt irgendwann, ob wir wollen oder nicht. Meistens wollen wir nicht. Meistens kommt sie ungelegen. Aber sie kommt.

Aber wir verwandeln uns erst, wenn wir nicht mehr wissen und noch nicht wissen. Wir verwandeln uns erst, wenn wir mindestens einmal im Leben zwischen Angst und Vertrauen gestanden sind. „Welchen Weg willst du wählen?“

Wir verwandeln uns, wenn eine Ent-Scheidung aussteht, von deren Ausgang wir nicht wissen, ob sie uns erhebt oder niederschmettert. 

Wir verwandeln uns, wenn wir bereit sind, in die Knie zu gehen, aber nicht – wie vor der Krise – als Geste einer verzweifelten Kapitulation, sondern als Geste der Demut und Dankbarkeit. Wir gehen in die Knie, weil eine Wahrheit bis ins Ge-Bein fühlbar geworden ist. Wir gehen in die Knie, weil wir den Mut aufbringen, uns dem zu stellen, was wir noch nicht kennen.

In jeder Demut liegt ein unaussprechlicher Mut. Und den Mutigen zeigt sich ein Leben außerhalb der Zonen des Komforts und der Gewißheiten. Den Mutigen offenbart sich das Leben in seiner Tiefe und Schönheit, in seiner Heiligkeit und Unauslöschbarkeit. 

Mut und Demut sind einander Geschwister. 

Die Krise fordert den Mut und die Demut heraus, sie fordert heraus das Vertrauen und den Sieg 

  • den Sieg über all jene Un-Kräfte, die uns in die Angst treiben wollen, 
  • den Sieg über den Nihilismus, der unser Wesen negiert und die Allesmachbarkeit protegiert.

In der freudigen Demut vor dem wunderbaren und unaussprechlichem Leben widersagen wir der Negation unseres Wesens, weil wir ein Ja zur Krise sagen, ein Ja zur Verwandlung. 

Verwandlung passiert von innen. Wir können unserer eigenen Verwandlung nicht zuschauen. Wir können das, was uns tief ergreift, nicht beobachten. Wir werden, sobald wir einer Verwandlung habhaft werden wollen, immer an ihrer Außenseite haften bleiben. Vielleicht sind wir – uns verwandelnd – erst einmal ins Dunkel getaucht, bis es … bis es uns … dämmert.

Plötzlich sind wir ins Licht gerückt. Unverhofft. Wir sind ins Licht gerückt, obwohl wir uns keinen Platz an der Sonne gesucht haben. Wir sind ans Licht gerückt, weil wir uns keinen Platz an der Sonne gesucht haben. 

Wir reiben uns den Schlafsand aus den Augen und sehen die nächtlichen Gesichte verblassen. Es war ja nur ein (böser) Traum.

Und jetzt? 

Vertrauen wie ein Berg.
Unauslöschbares Wissen.
Unversiegbare Freude aus den Quellen eines verwandelten Wesens.  

White Eagle, der Häuptling des Stammes der Hopi-Indianer, sagte:
„Fühlt Euch nicht schuldig, weil Ihr Euch in diesen unruhigen Zeiten gesegnet fühlt. Traurig oder wütend zu sein, hilft in keiner Weise. Widerstand ist Widerstand durch Freude! Ihr habt ein Recht darauf, stark und positiv zu sein. Und es gibt keinen anderen Weg, das zu tun, als eine positive, glückliche und lichtvolle Haltung zu bewahren. Das hat nichts mit Entfremdung  und Ignoranz gegenüber der Welt zu tun. Es ist eine Strategie des Widerstands. Wenn wir die Schwelle überschreiten, haben wir ein neues Weltbild, weil wir uns unseren Ängsten und Schwierigkeiten gestellt haben. Das ist alles, was Ihr jetzt tun könnt:
– Gelassenheit im Sturm
– Ruhe bewahren
– Täglich beten
– Macht es Euch zur Gewohnheit, jeden Tag dem Heiligen zu begegnen.
– Zeigt Widerstand durch Kunst, Freude, Vertrauen und Liebe.

In diesem Sinne wünsche ich Euch Kunst, Freude, Vertrauen und Liebe.

Und noch ein Wort zur Klinge:

Klinge

Ich stehe an der scharfen Klinge, die mir in den Ohren singt. Manchmal drehe ich meinen Kopf und halte Ausschau nach den runden Bachkieseln, mit denen ich als Kind gespielt habe. Ich habe kleine Türme mit ihnen gebaut und sie in der Nacht unters Bett gelegt. Ich stellte mir vor, ich wäre am Bach und führe mit dem Floß davon. Das Bild verblaßt. Der Wind, der gerade noch übers Wasser gegangen war, er ist gewichen einer harten Brise, die an der Klinge bricht, gerade so, wie ich es tue. Die Klinge steht seit jeher an diesem Ort, den ich seit Jahrtausenden umkreise, und ich habe sie immer gefürchtet, ihren scharfen Glanz, der in den Augen blendet. Mit geschmeidiger Beharrlichkeit bei allen Wettern, mit der sie seit Anbeginn hier steht, unvertreibbar, wirft sie das Sonnenlicht ins tiefe Land, ost- und westwärts, läßt den Mondschein von ihrer Schneide fließen wie silbernes Blut, das die Stöme in den Süden speist. Ich bin, als ich nach langer Wanderung unversehens ankam, mit glücklichem Bangen vor ihr in die Knie gegangen. Es möchte mir das Herz zerspringen, da ich durch den Gesang der Klinge vernahm, was ich zuvor kaum zu denken gewagt hatte. Seither wache ich Tag und Nacht an ihr.

(aus: „Geh nicht ungeprüft in die Nacht“)

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Rolf Gregor Seyfried
Geh nicht ungeprüft in die Nacht
Gedichte und kleine Prosa

90 Seiten, Hardcover

12,5 x 19 cm

fabrik.transit, Wien 2020
ISBN 978-3-903267-15-2

€ 13,00

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Rolf Gregor Seyfried
Der Feuervogel
Geschichten der Verwandlung
100 Seiten, Broschur 13,8 x 21 cm,
ISBN 978-3-7455-1129-1, 16,90 Euro

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